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Die Poesie der Daten

Stahl ist hart und dauerhaft. Und er ist kein Material, das man ohne weiteres mit der immateriell erscheinenden Welt der digitalen Daten in Verbindung bringen würde. Aber auch Daten brauchen materielle Träger, um gespeichert zu werden. Wie lange dies der Fall ist, wie dauerhaft ein Memory Stick die Daten bewahrt, hängt einerseits von der Hardware ab und liegt andererseits daran, dass Computerprogramme und Betriebssysteme oft schnell veralten. 

Und Datenverbrauch ist auch Energieverbrauch, der ebenso den Abbau natürlicher Ressourcen bedeutet wie die Herstellung von Chips aus Silizium. 

Letztlich auch darauf verweisen Wolfs aus Stahl gefertigten „Datenskulpturen“, die vielleicht einer späteren Nachwelt zu den wenigen materiell überlieferten Zeugnissen unserer Zeit gehören werden. Dann werden Forschende vielleicht versuchen, ihre Botschaften zu entziffern, so wie heutige Altertumswissenschaftler die Zeichen auf prähistorischen Stelen, die Zehntausende von Jahren überdauert haben. 

Dabei können auch wir Heutigen nicht direkt lesen, was in ihrer sichtbaren Struktur digitaler Codes gespeichert ist. So weiß Georg-Friedrich Wolf nicht, was genau im QR-Code seiner eigenen Corona-Impfung steht, auch wenn er dessen Gestalt skulptural verewigt. Und den Zugangscode für sein eigenes Datendepot kann er dort zwar eingeben, aber die „Cloud“ wird sich nicht öffnen. Und was verbirgt sich in dem QR-Code, der in eine Struktur aus Nagelspitzen übersetzt wurde? Es sind die Daten eines Boardingpasses, doch das ist nicht die „Botschaft“, die Wolf mit seinem Kunstwerk vermitteln will. Vielmehr sollen die Nägel Assoziationen an das Folterinstrument in Franz Kafkas Erzählung „In der Strafkolonie“ wecken, das den Delinquenten ihr Urteil direkt in den Körper einritzt. Dieses Bild treibt auch die physische Präsenz von Geschriebenem gleichsam auf die Spitze. 

Doch „Schriften und Texte (…) existieren mithin nicht mehr in wahrnehmbaren Zeiten und Räumen, sondern in den Transistorzellen von Computern“,1 wie der Literatur- und Medienwissenschaftler Friedrich Kittler schreibt. Dass ein Großteil der textbasierten Kommunikation heute von Maschinen und nicht von Menschen produziert und gelesen wird, reflektiert der österreichische Schriftsteller und Informatiker Jörg Piringer in seiner humorvollen „Datenpoesie“. 

Georg-Friedrich Wolfs „Poesie der Daten“ überführt das, was Maschinen generieren, in sichtbare und physisch erlebbare Kompositionen, an denen wir uns ähnlich erfreuen können wie Mathematiker, welche die Schönheit von Formeln genießen. Die Schönheit der Weltformel hat Wolf in seine „Formelstele“ wie in einen großen Memory Stick eingeschrieben, der auch Erdbeben und Nuklearkatastrophen überdauern wird.

1 Friedrich Kittler, Es gibt keine Software, in: ders., Draculas Vermächtnis.
Technische Schriften, Leipzig 1993, S. 225-242, hier S. 225.